Abu Ali Husain ibn Abdullah ibn Sina, war ein persischer Gelehrter, Arzt, Philosoph des 10. und 11. Jahrhunderts. Er wurde August 980 in Afshona[1], einem kleinen Ort in der Nähe von Buchara im heutigen Usbekistan, geboren. Im Europa des Mittelalters, war ibn Sina, wie er auch genannt wurde, in der latinisierten Form Avicenna (von Abdulla ibn Sina) bekannt.
Ibn Sina war Kind eines hochrangigen Finanzbeamten[2] und zeigte früh einen großen Wissensdurst. Mit 7 lernte er die arabische Sprache (seine Muttersprache war Persisch), mit 8 Jahren kannte er den Koran auswendig und mit 10 Jahren lernte er die damaligen Künste Logik, Geometrie und Mathematik[3]. Inwieweit diese Aussagen stimmen oder zur Legendenbildung rund um die Person Ibn Sina gehören, kann heute nicht mehr geklärt werden. Mit Sicherheit wurde schon recht früh sein Wissensdurst auf verschiedenen Gebieten erkannt.
Abu Sahl al-Masihi[4] riet ihm Medizin zu studieren und unterrichtete ihn in der Kunst der Medizin. Im Jahr 997 begann ibn Sina seine berufliche Laufbahn als Arzt. Seinen Durchbruch schaffte er bereits im Alter von 17 Jahren. Er heilte den damaligen Samindenherrscher von Buchara al-Amir al-Hamid Nuh I. Dieser war an einer unbekannten Krankheit erkrankt, die keiner seiner Ärzte behandeln konnte. Dies machte ihn auf einen Schlag bekannt. Der genesene Emir gewährte ihm zum Dank unbeschränkten Zugang zur Bibliothek von Buchara in der Ark Zitadelle[5], die neben Samarkand die damals bestausgestattete Bibliothek in Persien war, wo er seine Studien zur Philosophie, Mathematik, Astronomie, aber vor allem zur Medizin erweitern konnte.
Mit dem Fall der Samaniden-Dynastie im Jahr 999 n. Chr. verließ Ibn Sina Buchara und reiste nach Urganchim Königreich Khwarizmi, im heutigen Usbekistan, wo er Bekanntschaft mit Al-Biruni[6] (973-1048 n. Chr.), einem großen Apotheker und Universalgelehrten des 11. Jahrhunderts, machte.
In den folgenden Jahren bereiste Ibn Sana verschiedene persische Städte und besuchte die Buyid-Bibliotheken von Ray und Hamadān und die Kakuyiden-Bibliothek von Isfahan. Während seines Aufenthalts in Hamadān wurde Ibn Sana bis 1021 n. Chr. der Wesir von Schams al-Dawla[7] dem Emir von Hamadān. Ibn Sana schrieb in dieser Zeit sein wichtigstes Werk Al-Qanun fi al-Tibb (Gesetzeswerk der Heilkunde).
Nach dem Tode von Shams al-Dawla wurde dessen Sohn Sama‘ al-Dawla[8] Emir der Buyid-Dynastie. Jedoch misstraute er Ibn Sana und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe wegen Illoyalität.
Ibn Sana nutzte die Zeit seiner Gefangenschaft, um sein Werk Kitab al-Qawlanj (Die Abhandlung über Koliken) zu schreiben. Nach 4 Monaten wurde Hamadān von Alaa al-Dawla ibn Kakuya erobert, der Ibn Sana die Freiheit schenkte. Ibn Sana ging daraufhin nach Isfahan und schrieb dort sein letztes Buch Kitab al-Shifa (Buch der Heilung).
Auf der Rückreise nach Hamadān im Jahr 1037 n. Chr. litt Ibn Sina an einer schweren Kolik, vielleicht aufgrund von Magenkrebs, und starb im Alter von 58 Jahren. So früh und kometenhaft sein Aufstieg war, so schnell ging auch sein Leben zu Ende. Berichten von Zeitgenossen zufolge wusste er sein Leben in vollen Zügen zu genießen und behandelte sich zum Ende hin mit immer aggressiveren Medikamenten, die wahrscheinlich mit zu seinem Tode führten[9].
Ibn Sinas medizinisches Meisterwerk ist Al-Qanun fi al-Tibb (Gesetzeswerk der Heilkunde). Es war ein so einflussreicher Schatz in der Geschichte der Medizin, dass Nizami Aruzi, ein persischer Dichter des 12. Jahrhunderts, in seinem Werk Chahar Maqala (Vier Reden) schrieb:
„…könnten Hippokrates und Galen ins Leben zurückkehren, wäre es angebracht, dass sie diesem Buch Ehrerbietung erweisen… „
Um 1170 wurde Ibn Sinas Werk Al-Qanun fi al-Tibb als Canon medicinae (man beachte großartige Lautmalerei des Namens, die dennoch den Sinn des Originaltitels behält im Sinne des lateinischen canon= Richtschnur) in der Übersetzerschule in Toledo von einer Gruppe um Gerhard von Cremona (1114 – 1187) mithilfe von arabischen Muttersprachlern ins Lateinische übertragen und trat so seinen Siegeszug in Europa an[10]. Weitere Übersetzungen ins Hebräische, Französische, Englische und Deutsche führten zu einer weiten Verbreitung und machten den Kanon der Medizin, wie das Werk auch heute noch genannt wird, zum Kern der westlichen medizinischen Wissenschaft zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert. In der Universität von Brüssel wurde noch bis 1909 eine Vorlesung aus den Werken von Ibn Sina gehalten[11].
Ibn Sana wurde nach seinem Tode zum „Aristoteles des Islam“ und der „Zweite Arzt“ (nach Aristoteles) stilisiert. Seine Verehrung hält bis in heute Zeit an. So ist ein Krater auf dem Mond nach ihm benannt[12]. In seinem Geburtsort wurde eine große Statue und das Abu Ali Ibn Sino Museum[13] errichtet, welches berühmte Artefakte und Handschriften beherbergt. Ibn Sinas Grab wurde im Jahre 1950 von seiner alten Position an der ehemaligen Stadtmauer in das Zentrum der Stadt Hamadān verlegt. Dabei rekonstruierten Anthropologen anhand seines Schädels sein mögliches Aussehen, welches sich bemerkenswerter Weise mit alten Darstellungen weitestgehend deckt. Entsprechend wurde aus diesen Erkenntnissen diverse Skulpturen und die Darstellung von Ibn Sina erstellt. Bekannt ist die Darstellung auf dem tadschikischen 20-Somoni Geldschein.
[2] Afshar A. A brief report about the concepts of hand disorders in the Canon of Medicine of Avicenna. J Hand Surg Am. 2011 Sep;36(9):1509-14. doi: 10.1016/j.jhsa.2011.06.018. Epub 2011 Jul 29. PMID: 21802863.
[3] Golzari SEJ, Khan ZH, Ghabili K, Hosseinzadeh H, Soleimanpour H, Azarfarin R, Mahmoodpoor A, Aslanabadi S, Ansarin K. Contributions of Medieval Islamic physicians to the history of tracheostomy. Anesth Analg. 2013 May;116(5):1123-1132. doi: 10.1213/ANE.0b013e3182884313. Epub 2013 Mar 14. PMID: 23492962.
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Abu_Sahl_%27Isa_ibn_Yahya_al-Masihi
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Ark_(Buxoro)
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Al-B%C4%ABr%C5%ABn%C4%AB
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Shams_al-Dawla
[8] https://en.wikipedia.org/wiki/Sama%27_al-Dawla
[9] Gerabek, Werner E., Haage, Bernhard D., Keil, Gundolf and Wegner, Wolfgang. Enzyklopädie Medizingeschichte, Berlin, Boston. Band 3. Lemma: Sina.
[10] Leven K-H. Geschichte Der Medizin Von Der Antike Bis Zur Gegenwart. Orig.-ausg ed. München: Beck; 2008.
[11] Elgood C. A medical history of Persia and the eastern caliphate from the earliest times to the year 1932 AD. Cambridge: Cambridge University Press, 1951. S.:208.
[12] Mondkrater Avicenna https://www.der-mond.de/mondkarte/formation/mondkrater/avicenna/
[13] https://www.people-travels.com/uzbekistan-cities/bukhara/sightseeing-in-bukhara/abu-ali-ibn-sino-memorial-museum-in-bukhara.html